Was ist die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland?

Für Menschen, die aufgrund einer fortschreitenden, lebensbegrenzenden Erkrankung mit Sterben und Tod konfrontiert sind, stellt die Charta mit ihren fünf Leitsätzen ein umfangreiches und zielführendes Rahmenkonzept dar, um ein Sterben in Würde für jeden Menschen in Deutschland zu ermöglichen. Die Charta beschreibt Notwendigkeiten, damit jeder eine bedarfsgerechte, würdevolle und nach seinen Wünschen gestaltete Begleitung während seiner letzten Lebensphase erhält.

Die Trägerschaft für die Charta bildet die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband und die Bundesärztekammer.

Die fünf Leitsätze der Charta

Gesellschaftspolitische Herausforderungen – Ethik, Recht und öffentliche Kommunikation

Gesellschaftspolitische Herausforderungen – Ethik, Recht und öffentliche Kommunikation

Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen. Er muss darauf vertrauen können, dass er in seiner letzten Lebensphase mit seinen Vorstellungen, Wünschen und Werten respektiert wird und dass Entscheidungen unter Achtung seines Willens getroffen werden. Familiäre und professionelle Hilfe sowie die ehrenamtliche Tätigkeit unterstützen dieses Anliegen.

Ein Sterben in Würde hängt wesentlich von den Rahmenbedingungen ab, unter denen Menschen miteinander leben. Einen entscheidenden Einfluss haben gesellschaftliche Wertvorstellungen und soziale Gegebenheiten, die sich auch in juristischen Regelungen widerspiegeln.

Wir werden uns dafür einsetzen, ein Sterben unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen und insbesondere den Bestrebungen nach einer Legalisierung der Tötung auf Verlangen durch eine Perspektive der Fürsorge und des menschlichen Miteinanders entgegenzuwirken. Dem Sterben als Teil des Lebens ist gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Bedürfnisse der Betroffenen – Anforderungen an die Versorgungsstrukturen

Bedürfnisse der Betroffenen – Anforderungen an die Versorgungsstrukturen

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt. Die Angehörigen und die ihm Nahestehenden sind einzubeziehen und zu unterstützen. Die Betreuung erfolgt durch haupt- und ehrenamtlich Tätige soweit wie möglich in dem vertrauten bzw. selbst gewählten Umfeld. Dazu müssen alle an der Versorgung Beteiligten eng zusammenarbeiten.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass Versorgungsstrukturen vernetzt und bedarfsgerecht für Menschen jeden Alters und mit den verschiedensten Erkrankungen mit hoher Qualität so weiterentwickelt werden, dass alle Betroffenen Zugang dazu erhalten. Die Angebote, in denen schwerstkranke und sterbende Menschen versorgt werden, sind untereinander so zu vernetzen, dass die Versorgungskontinuität gewährleistet ist.

Anforderungen an die Aus-, Weiter- und Fortbildung

Anforderungen an die Aus-, Weiter- und Fortbildung

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine angemessene, qualifizierte und bei Bedarf multiprofessionelle Behandlung und Begleitung. Um diesem gerecht zu werden, müssen die in der Palliativversorgung Tätigen die Möglichkeit haben, sich weiter zu qualifizieren, um so über das erforderliche Fachwissen, notwendige Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie eine reflektierte Haltung zu verfügen. Für diese Haltung bedarf es der Bereitschaft, sich mit der eigenen Sterblichkeit sowie mit spirituellen und ethischen Fragen auseinanderzusetzen. Der jeweils aktuelle Erkenntnisstand muss in die Curricula der Aus-, Weiter- und Fortbildung einfließen. Dies erfordert in regelmäßigen Zeitabständen eine Anpassung der Inhalte.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Menschen thematisch differenziert und spezifiziert in die Aus-, Weiter- und Fortbildung der Beteiligten in den verschiedensten Bereichen integriert wird.

Entwicklungsperspektiven und Forschung

Entwicklungsperspektiven und Forschung

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse behandelt und betreut zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden kontinuierlich neue Erkenntnisse zur Palliativversorgung aus Forschung und Praxis gewonnen, transparent gemacht und im Versorgungsalltag umgesetzt. Dabei sind die bestehenden ethischen und rechtlichen Regularien zu berücksichtigen. Zum einen bedarf es der Verbesserung der Rahmenbedingungen der Forschung, insbesondere der Weiterentwicklung von Forschungsstrukturen sowie der Förderung von Forschungsvorhaben und innovativen Praxisprojekten. Zum anderen sind Forschungsfelder und -strategien mit Relevanz für die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen zu identifizieren.

Wir werden uns dafür einsetzen, auf dieser Basis interdisziplinäre Forschung weiterzuentwickeln und den Wissenstransfer in die Praxis zu gewährleisten, um die Versorgungssituation schwerstkranker und sterbender Menschen sowie ihrer Angehörigen und Nahestehenden kontinuierlich zu verbessern.

Die europäische und internationale Dimension

Die europäische und internationale Dimension

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, dass etablierte und anerkannte internationale Empfehlungen und Standards zur Palliativversorgung zu seinem Wohl angemessen berücksichtigt werden. In diesem Kontext ist eine nationale Rahmenpolitik anzustreben, die von allen Verantwortlichen gemeinsam formuliert und umgesetzt wird.

Wir werden uns für die internationale Vernetzung von Organisationen, Forschungsinstitutionen und anderen im Bereich der Palliativversorgung Tätigen einsetzen und uns um einen kontinuierlichen und systematischen Austausch mit anderen Ländern bemühen. Wir lernen aus deren Erfahrungen und geben gleichzeitig eigene Anregungen und Impulse.


Was sind die Ziele der Charta?

  • Eine angemessene, qualifizierte sowie bei Bedarf multiprofessionelle Behandlung und Begleitung,
  • Zugangsgerechtigkeit und bestmögliche Versorgungsstrukturen,
  • Selbstbestimmung am Lebensende und
  • Sterben, Tod und Trauer als Teil des Lebens zu begreifen und im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern
  • Weiterentwicklung der Aus- Fort- und Weiterbildung und Forschung (ggf. die internationale Dimension)

Warum ist die Charta so wichtig?

Zusammen mit den Trägern haben zahlreichen Expertinnen und Experten aus über 50 Organisationen und Institutionen aus Gesellschaft und Gesundheitssystem die Charta-Leitsätze erarbeitet. Dabei handelt es sich um grundlegend verschiedene Organisationen, die sich alle auf ein Ziel geeinigt haben: Die Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung voranzutreiben und die vorhandenen Ressourcen zu bündeln, um den Bedürfnissen der Betroffenen und ihren Angehörigen sowie Zugehörigen gerecht zu werden.

 

Ihre Unterschrift zählt

Die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen ist nicht nur ein Projekt von Institutionen und Organisationen: Jede und jeder kann dazu beitragen, dass es mit dem Charta-Prozess vorangeht. Sie können die Charta als Einzelperson oder als Institution/Organisation zeichnen. Dafür stehen Ihnen die folgenden Formulare zur Verfügung:

Durch Ihre Unterschrift bekunden Sie Ihre Bereitschaft, sich im Sinne der Charta für die Verbesserung der Situation schwerstkranker und sterbender Menschen, ihrer Familien und der ihnen Nahestehenden einzusetzen. Nehmen Sie die Charta zum Anlass, in Ihrem persönlichen und/oder beruflichen Umfeld über wesentliche Anliegen von schwerstkranken und sterbenden Menschen in Deutschland zu sprechen und Veränderungen anzuregen. 
Danach schicken Sie uns das ausgefüllte Dokument bitte ausschließlich per Post, per Fax oder per Mail an die im Formular angegebenen Kontaktdaten zurück.

 

In der Umsetzung

Die Mitarbeitenden des Malteser Hospiz-Zentrums begleiten seit 1991 schwerstkranke und sterbende Menschen und deren Angehörige in ihrem Zuhause, aber auch in Wohn- und Pflegeeinrichtungen, stationären Hospizen und Krankenhäusern. Seit 2010 ist das Angebot um den integrierten Kinder- und Jugendhospizdienst erweitert worden. Mehr als 150 geschulte ehrenamtliche Begleiterinnen und Begleiter stellen sich dieser Aufgabe. In der täglichen Arbeit des Hospizteams werden die Handlungsempfehlungen der Charta umgesetzt, verschiedene Veranstaltungen und  innovative Projekte, wie Letzte-Hilfe-Kurse, tragen dazu bei, die Thematik ins das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.

Wer unterstützt und dokumentiert den Umsetzungsprozess?

Um die nachhaltige Umsetzung der Charta und ihrer Handlungsempfehlungen voranzutreiben und zu dokumentieren, wurde 2016 das Projekt „Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“ ins Leben gerufen, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Darüber hinaus berät, initiiert und unterstützt die Koordinierungsstelle Akteure in der konkreten Umsetzung der Charta und ihrer Handlungsempfehlungen.