Freundschaft und das Wertschätzen kleiner Dinge

Rostock. Annkathrin Zabel studiert Deutsch und Philosophie auf Lehramt an der Uni Rostock, Stanley besucht die vierte Klasse einer Rostocker Grundschule. Auf den ersten Blick haben die beiden nicht viel gemeinsam. Doch die Studentin und der Zehnjährige verbindet eine besondere Freundschaft und seit mehr als zwei Jahren regelmäßige Treffen. Kennengelernt haben sie sich über das Mentorenprogramm „Balu und Du“ der Malteser Rostock, das eigentlich nur auf ein Jahr angelegt ist.

Das erste Treffen fand mit einer Schulsozialarbeiterin an Stanleys Schule statt. „Da haben wir gemeinsam gespielt“, sagt die junge Studentin. Und beschnuppert und geschaut, ob es passt. Und es passte. So gut, dass die 21-Jährige mittlerweile auch ihren Freund mit ins Boot geholt hat. Er ist oft bei den Treffen dabei. „Anfangs war ich nervös. Ich habe mich gefragt, ob Stanley Kontakt mit mir haben möchte. Aber dieses Gefühl verschwand direkt in der nächsten Sekunde“, blickt sie zurück.

„Balu und Du“ fördert Grundschulkinder im außerschulischen Bereich. Junge Menschen (sogenannte „Balus“) übernehmen dabei mindestens ein Jahr lang eine individuelle Partnerschaft für ein Kind („Mogli“). Zeit und aktive Freizeitgestaltung stehen dabei im Mittelpunkt.

Stanley hat noch einen kleinen Bruder. „Der mich jeden Tag tierisch nervt.“ Er genießt die Aufmerksamkeit, die er von Annkathrin Zabel bekommt. Wenn die Studentin nicht gerade in Prüfungen steckt, trifft sie sich mindestens zwei Stunden pro Woche mit Stanley. Im Sommer am Strand könne ein Besuch auch mal einen ganzen Nachmittag dauern. Was unternimmt ein Zehnjähriger noch mit seiner großen Freundin? „Rausgehen, auf den Spielplatz, mit Hunden spielen, auf den Weihnachtmarkt, eine Halloween-Party“, zählt Stanley auf. „Die habe ich mit einer Freundin organisiert, die ein Kind hat. Mit Verkleiden und Leckereien, eben kinderfreundlich“, ergänzt Annkathrin Zabel. Auf ihrem Smartphone ruft sie ein Foto der Party auf. Zu sehen ist sie neben einem flauschigen Teddybär-Kostüm, unter dem Stanley steckt.

Die Corona-Pandemie veränderte auch ihre Treffen. Die beiden sahen sich nicht mehr so häufig. „Wir haben uns online getroffen und bei „Animal Crossing“ auf Inseln gespielt. Da gibt es eine Chat-Funktion für den Mitspieler“, sagt die Lehramtsstudentin. Gemeint ist eine Videospielreihe. „Man baut sich seine Insel mit verschiedenen Bewohnern auf. Man kann gemeinsam schwimmen gehen, nach Muscheln und Perlen tauchen oder Angeln gehen, Schmetterlinge und Insekten fangen. Zusammen haben wir uns dort auch Verstecke ausgedacht.“

Geduld sei eine gute Voraussetzung für alle, die sich für dieses Ehrenamt interessieren. „Wobei ich durch Stanley noch mehr Geduld gelernt habe. Man sollte gut mit Kindern umgehen können“, sagt die 21-Jährige. Man müsse sich erst kennenlernen und auf den Mogli eingehen, das mache man automatisch, wie bei einer normalen Freundschaft auch.
„Kinder denken anders als wir. Sie sind nicht so voreingenommen, viel tiefgründiger, so komplex. Stanley fragte mich, ob er auch meine Familie kennenlernen würde.“ Als die gebürtige Warenerin ihm erklärte, dass sie allein in Rostock wohne, habe Stanley viel Empathie gezeigt. „Mir war das gar nicht mehr so bewusst, dass Kinder so reflektieren.“ Aber durch Balu und Du blicke ich mit anderen Augen auf meine Familie, Freundschaft und auch vor allem auf das Wertschätzen kleiner Dinge und das Auskosten von Augenblicken.“

„Wichtig ist, dass man mit offenen Armen in das Projekt geht, ohne Gedanken im Hinterkopf zu haben. Freunde haben mich gefragt: ‚Hast Du dann mit Kindern aus schwierigen Verhältnissen zu tun?‘ Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht.“ Sie habe eine Vorbildfunktion für Stanley. „Und ich bekomme einen anderen Blickwinkel und schaue ohne Vorurteile auf eine Situation.“ Stanley sei je nach Tagesverfassung und Situation unterschiedlich. „Er hatte manchmal ein paar Stimmungsschwankungen. Erst war er total glücklich und dann wusste er wieder nicht, was er mit sich anfangen soll.“ Mit ihrem Exfreund hätten gemeinsame Treffen nicht funktioniert. „Aber jetzt geht es nicht mehr ohne, so gut verstehen die beiden sich.“

Infoabend am 5. April
„Balu und Du“ wird in Rostock seit fast acht Jahren angeboten. Mittlerweile konnte Koordinator Peter Wolf gut 150 sogenannte Tandems stiften. Er schult die zukünftigen Balus für ihren Einsatz, steht den Ehrenamtlichen bei Fragen zur Seite, aber auch der Austausch untereinander und Gemeinschaftstreffen sind teil des Programms. Am Dienstag, 5. April findet um 18 Uhr ein digitaler Infoabend für junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren statt. Die Malteser bitten um Anmeldung bei Peter Wolf unter 0381 80 83 09 42. 

 


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