„Dass Zeit und Raum keine Rolle mehr spielen“ – Mode in ehemaligem Kirchenbau

Fotos: Ben Paetzold

„Raum und Zeit sind miteinander wie verstrickt, das ist ein Geflecht und da bin ich auf die Idee gekommen, dass wahrscheinlich Strick die beste Interpretation dafür ist“, sagt Sofia Sammann. Mit „dafür“ meint sie ihre Abschlussarbeit im Masterstudiengang des Design-Departments an der HAW Hamburg. Die 34-Jährige hat aus Alpakawolle tragbare Kunstwerke geschaffen. „Ich wollte die komplette Kollektion in Strick machen, um das Gefühl von Raum und Zeit auch wirklich selbst zu spüren. Damit ich ein Gefühl von Zeit bekomme oder auch manchmal die Zeit vergesse durch das Stricken. Und durch diese Zeitinvestition erschaffe ich Raum für den menschlichen Körper. Und das fand ich super spannend“, erklärt Sammann. 

Die Wellingsbüttlerin hat in der profanierten St. Maximilian Kolbe-Kirche in Hamburg-Wilhelmsburg den idealen Ort gefunden, um ihre Stücke in Szene zu setzen: „Ich hab die ehemalige Kirche durch Zufall gesehen. Ich dachte nicht, dass es in Hamburg so etwas gibt“, sagt Sammann. Von außen habe ihr das Gebäude gleich gefallen. „Und innen war das minimalistisch, futuristisch und es hat einfach super gepasst. Und als ich dann hier war, dachte ich: Wow, das ist wie dafür erschaffen“, erzählt sie, noch immer ganz begeistert.

„Jedes Outfit ist immer auf schwarze Löcher bezogen. Wie ich die schwarzen Löcher darstelle, das ist wie in der Raum-Zeit, die Physik hat da keine Regeln mehr. Und das wollte ich so minimalistisch wie möglich darstellen und habe dann diese Technik für mich übersetzt, dass ich in den Stoff ein Cut-Out reinmache, aber das von hinten mit einer kleinen Innentasche belege, weil ich dort mit Aluminiumblech gearbeitet habe. Aluminiumblech wird auch in der Raumfahrt verwendet. Ich habe das benutzt, weil ich das ein super Kontrast zur Wolle war.“

Sofia Sammann macht in ihrem Leben nichts nur halb. „Ich habe in die Mode alles reininvestiert. Das ist mein Leben. Ich liebe es einfach. Das ist pure Freiheit“, sagt die junge Frau. Schon in der 7. Klasse habe sie ihre Kleidung immer patchworkartig selbst benäht. „Dadurch, dass ich mir eine Identität selbst zusammengetüftelt habe, bin ich selbstbewusst geworden. Ich glaube, da ist dann langsam diese Leidenschaft dafür entstanden.“

Ihre afghanischen Wurzeln prägen auch ihre Arbeiten. Für einen ihrer Designkurse hat sie einen Gebetsteppich verarbeitet. „Da habe ich erst ein komisches Gefühl gehabt, ob ich das zerschneiden darf, aber meine Eltern meinten, du machst ja einen Mantel daraus. Was Kulturen und Glauben angeht, da bin ich wirklich respektvoll. Da achte ich darauf, wenn der Gebetsteppich ein Mantel wäre, dass ich dem Model darunter keinen Bikini anziehe. Freiheit ist gut, aber das muss immer eine bestimmte Grenze haben, damit sich mein Gegenüber nicht angegriffen fühlt.“

Mit dem bestandenen Masterabschluss in der Tasche, schmiedet Sofia Sammann bereits Pläne für ihre Zukunft. „Ich möchte mich damit selbstständig machen. Das ist mein Ziel, dass ich zwei, drei Damen habe, die das gerne machen und, dass ich dann entwerfe. Es wäre ein Traum, einen kleinen Laden zu haben.“ Jetzt steht für die junge Designerin erst einmal jobben an: „Ich bin da nicht so vernarrt, dass ich sage, ich muss unbedingt was in der Mode machen. Ich habe auch im Studium immer ehrenamtlich mit behinderten Menschen gearbeitet, weil mir das liegt und ich das auch gerne mache, weil die so super sind.“

Ihr sei die Balance im Leben wichtig und, dass sie nicht abhebe. „Ich finde das immer wichtig, denn die ganzen Inspirationen, die kommen aus meinem Alltag. Ich bin niemand, der im Internet rumschaut, was andere gemacht haben. Wenn es Verbindungen hat, dann ist das Zufall, mal aufgeschnappt von irgendwo, aber hauptsächlich geht es darum, dass ich mein eigenes Werk erschaffe, mit meinen eigenen Erfahrungen, Eindrücken, dass sich das so ein bisschen widerspiegelt.“

Und über allem steht Sofia Sammans Liebe zur Mode. "Das ist diese Leidenschaft, die für mich wie eine Droge wirkt. Diese bedingungslose Hingabe, diese Liebe. Andere Menschen lieben Autos, ich liebe die Mode.“


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